Nachwuchsmangel in der Medizin: Ursachen, Aspekte, mögliche Strategien
Der Nachwuchsmangel in der Medizin verschärft sich: Bundesweit fehlen immer mehr Ärztinnen und Ärzte. Arztpraxen suchen daher händeringend nach Fachpersonal. Bislang lässt die Politik eine wegweisende Strategie im Kampf gegen den Personalmangel im Gesundheitswesen vermissen. Doch wo liegen die Ursachen für diesen Nachwuchsmangel? Welche Folgen hat er für Arztpraxen, Kliniken und Patienten – und welche Maßnahmen versprechen Erfolg?
Woher kommt der Nachwuchsmangel in der Medizin? Ursachen und Ausmaß
Hauptursache für den Personal- und Nachwuchsmangel im Gesundheitsbereich sind die immense Arbeitsbelastung bei gleichzeitig mäßiger Bezahlung sowie Arbeitszeiten, die einer gesunden Work-Life-Balance entgegenstehen. Derzeit suchen Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Kliniken fortlaufend Mitarbeiter. Aber auch pflegende Angehörige haben Mühe, qualifizierte, bezahlbare Kräfte zur Entlastung bei der häuslichen 24-Stunden-Pflege zu finden. Deutschen Arztpraxen geht es nicht anders: Nach Aussage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) fehlen dort zahlreiche Medizinische Fachangestellte (MFA).
Sie möchten als Arzt in den Ruhestand gehen? Wer seine Praxis übergeben möchte, tut sich bei der Suche nach einem Nachfolger schwer. Einer der Gründe: Junge Mediziner starten nach Studienabschluss immer weniger mit einer eigenen Praxis durch. Stattdessen entscheiden sich viele für attraktive Karrierechancen in der Forschung oder eine Position im Krankenhaus. Allerdings verzeichnen auch Kliniken inzwischen zunehmend Engpässe im Bereich Fach- und Chefärzte. Ärzte-Vermittlungs-Portalen kommt hierbei die Aufgabe zu, Ärzte auf ihrem Karriereweg zu begleiten und im Bedarfsfall in die passenden Positionen zu vermitteln.
Beruf Medizinische Fachangestellte: Beliebt, aber Personal trotzdem Mangelware
Der Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) rangiert laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf Platz 1 der Beliebtheitsskala bei jungen Frauen. Viele entscheiden sich für diese Ausbildung, doch etliche davon verlassen anschließend die ausbildende Arztpraxis. Denn sie suchen andere, lukrativere Perspektiven – und finden diese zum Beispiel im Krankenhaus. Dass ein MFA Nachwuchsmangel herrscht, ist nach Auffassung von Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), ein Versäumnis sehr vieler Jahre. Wird es eng, so Gassen, springen schon mal Familienmitglieder ein und bedienen das Telefon. Fakt ist, dass schon jetzt manche Arztpraxen offene MFA-Stellen nicht besetzen können.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht verschärft die Situation zusätzlich, weil sich ein Teil der Mitarbeiter sehr wahrscheinlich nicht impfen lässt. Mit Folgen für die flächendeckende Patientenversorgung, da Arztpraxen mit zu wenig Personal gezwungen sind, zu schließen. So warnt die Deutsche Stiftung Patientenschutz vor dem Ausfall Zehntausender ungeimpfter Mitarbeiter. Allein im Dezember 2021 und Januar 2022 meldeten sich laut Bundesagentur für Arbeit (BA) im Gesundheits- und Sozialbereich 25.000 Personen mehr arbeitssuchend als saisonal üblich.
Fehlender Nachwuchs: Kaum Bewerber auf zahlreiche offene Stellen
Der Verband medizinischer Fachberufe (VMF) sieht die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls kritisch. Auffällig ist, dass es überdurchschnittlich lange braucht, um freie Stellen zu besetzen. Teilweise suchen Arztpraxen mehrere Monate, bis sich jemand auf eine Vakanz bewirbt. Vielerorts zwingt der Nachwuchsmangel an Praxishilfen Ärzte zum Aufgeben, so Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer. Die Situation ist vor allem in Bayern angespannt. Daten der BA stützen diese Beobachtung: 2021 kamen auf 100 offiziell gemeldete, offene Stellen für Medizinische Fachangestellte 102 Arbeitssuchende. Zum Vergleich: 2012 lag die Zahl der Arbeitslosen auf 100 freie Stellen mit 354 noch dreieinhalb mal höher. Tatsächlich könnte der wirkliche Nachwuchsmangel die offiziellen Zahlen übersteigen. Denn Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, offene Stellen zu melden. So schätzt die BA, dass der Bundesagentur nur ein Drittel der offenen Positionen überhaupt bekannt sind.
Wer trägt die Schuld am Nachwuchsmangel in den Praxen?
Gut 407.000 ausgebildete MFA gibt es in Deutschland. Von diesen arbeiten nach Zahlen des VMF etwa 330.000 in Arztpraxen, aber wechseln verstärkt ins Krankenhaus oder in die ambulante Pflege. Die Motivation? Weniger Druck, aber bessere Bezahlung. Längst wird der Kampf um die besten Arzthelferinnen verbissen geführt: Kliniken werben MFA gezielt in großem Umfang ab. Die Arztpraxen unterliegen hier, weil die gesetzlichen Krankenkassen nicht bereit sind, Lohnerhöhungen in Gänze als Kosten zu bewerten und gegenzufinanzieren. In diesem Kontext beklagt der Vorsitzende der KBV auch, dass die Bedeutung der Arztpraxen verglichen mit den Krankenhäusern verkannt werde: Der fehlende staatliche Corona-Bonus spreche für sich.
Welche Folgen hat Nachwuchsmangel für Gesundheitsbereich und Patienten?
Arztpraxen und Kliniken ächzen unter wachsender Bürokratisierung und den dadurch gestiegenen Zeitaufwand zur Dokumentation pflegerischer Abläufe. Gleichzeitig bleibt weniger Zeit für den Patienten. Immer weniger Personal muss die gleiche Arbeitslast bewältigen – etwas, das kaum ohne Überstunden zu leisten ist. Verständlich, dass sich Beschäftigte im Gesundheitswesen durch die Politik alleingelassen fühlen. Außerdem kritisiert der Verband medizinischer Fachberufe, die normale ambulante Regelversorgung sei komplett aus dem Fokus geraten. Durch das Primat der Teststrategie, die Neuorganisation der Sprechzeiten und angesichts wenig zuverlässiger Impfdosen-Liefermengen hat medizinisches Personal laut VMF zahlreiche Überstunden angehäuft: Es wird morgens früher begonnen, ohne Mittagspause durchgearbeitet und später aufgehört. Mit zunehmendem Nachwuchsmangel wächst der Druck auf die einzelnen Mitarbeiter, während gleichzeitig die Zahl der Patienten zunimmt. Lange Wartezeiten sorgen für Unmut, der Ton gegenüber dem Praxispersonal wird rauer.
Babyboomer gehen in den Ruhestand: Nachwuchsmangel trifft auch Ärzteschaft
Derweil verzeichnen Krankenhäuser auch zunehmend Engpässe im Bereich Fach- und Chefärzte. Angesichts des Personalmangels fordern Ärzte mehr Studienplätze für Medizin. Etwa zehn Prozent mehr brauche es, um den ärztlichen Nachwuchsmangel wenigstens teilweise zu sichern, so der Marburger Bund, Deutschlands größte Ärztevereinigung und einzige Ärzte-Gewerkschaft. Denn die Generation der Babyboomer plant den Ruhestand: In den nächsten Jahren werden fast 90.000 Ärzte in Rente gehen – das ist mehr als jeder Fünfte. Dabei ist es nach Ansicht der Bayerischen Ärztekammer entscheidend, mehr als nur das derzeitige Angebot aufrechtzuerhalten. Vielmehr brauche es mehr Mediziner als jetzt, um die Versorgung mittel- bis langfristig zu garantieren. Richtig, denn die Zahl der Menschen mit altersbedingtem Behandlungsbedarf steigt, weil auch das durchschnittliche Lebensalter nach oben geht. Unter den verfügbaren Medizin-Absolventen haben jedoch nur wenige Lust auf eine eigene Praxis. Stattdessen arbeiten Nachwuchsmediziner dort oft lieber als Angestellte, in familienfreundlicherer Teilzeit. Knapp zwei Drittel davon sind Ärztinnen: Vor allem diese entscheiden sich gegen die für Praxisinhaber typische 50- bis 60-Stunden-Woche. Allein in Bayern befinden sich 31 Prozent der Ärzte im Angestelltenverhältnis; zehn Jahre zuvor waren dies noch gute 13 Prozent.
Strategien gegen den Nachwuchsmangel: Politik in der Pflicht!
Es ist an der Politik, Strategien gegen den Nachwuchsmangel in Medizin und Pflege zu entwicklen: Wer mehr qualifiziertes Personal im Gesundheitsbereich wünscht, muss die finanziellen und sonstigen Rahmenbedingungen dazu schaffen. Bis dahin wollen einige Landesärztekammern verstärkt für den Beruf der Medizinischen Fachangestellten werben. Die Bezahlung müsse besser werden – und man ist dort sicher, dass viele junge Menschen um die Attraktivität des MTA-Berufs und seine guten Fortbildungs- und Karriereoptionen nicht wissen. Ein ehrgeiziges Vorhaben: Schließlich müssten laut Bundesanstalt für Arbeit 300 Jobsuchende auf 100 freie Stellen im Gesundheitsbereich kommen, um ein Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot zu erreichen. Und bei den Ärzten? Nicht nur mehr Medizinstudienplätze gehören laut Bundesärztekammer auf die politische Agenda, auch der Arztberuf selbst muss attraktiver werden. Beispielsweise, indem Ärzte in Klinik oder Praxis von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Bürokratische Hürden sind abzubauen, Dokumentationsaufwand mithilfe von Digitalisierung zu verringern. Niedergelassene Ärzte sind in der Verantwortung, diesen digitalen Wandel vor Ort umzusetzen. Denn es gilt, im Kampf gegen den Nachwuchsmangel vor allem Zeitfenster zu öffnen: Für das eigentliche Kernanliegen – den Patienten!
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